Hast du dich schon mal gefragt, wieso dir bestimmte Marken auf Anhieb sympathisch sind? Oder warum du andere Marken so gar nicht magst, obwohl du weißt, dass ihre Produkte und Dienstleistungen eigentlich gut sind? Woran liegt es, dass es Marken gibt, die uns sofort anziehen, mit denen wir uns gerne umgeben und denen wir schnell treu werden?
Ein Framework, mit dem sich unsere Zuneigung oder auch Ablehnung erklären lässt, bietet die Archetypen-Lehre, die auf den Psychologen Carl Gustav Jung zurückgeht. In diesem Artikel sehen wir uns an, was Archetypen genau sind, welche Archetypen es eigentlich gibt und wie wir das Archetypen-Framework im Branding und Marketing wirkungsvoll einsetzen können.
Archetypen sind universelle Charaktereigenschaften. Sie beschreiben auf grundlegende Art und Weise, was Menschen antreibt: Ihre Motive, Motivationen, Werte und typischen Verhaltensweisen. Sie sind uns allen intuitiv vertraut, nicht zuletzt, weil sie in der Literatur, in Filmen und in der Kunst als zentrale Bausteine genutzt werden.
Das Konzept der Archetypen wurde ab den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts von Carl Gustav Jung entwickelt, einem Schweizer Psychiater und Vertreter der Psychoanalyse. Jung sah Archetypen als Urbilder, die uns angeboren und tief in unserem kollektiven Unterbewusstsein verankert sind.
Carl Gustav Jung hat zahlreiche Archetypen beschrieben. Dazu gehören z.B. der Schatten (die dunkle Seite des Menschen), Anima/Animus (das weibliche oder männliche Prinzip in unserem Unbewussten) oder der Trickster (der für Unordnung, Verwirrung und Chaos steht). Die Archetypen, die heute im Branding, Marketing und Storytelling verwendet werden, sind aber andere, die erst in den letzten gut 20 Jahren aufkamen.
Anfang der 2000er-Jahre wurde das Archetypen-Konzept zunehmend als Tool für die strategische Markenführung eingesetzt. Die Idee, Archetypen auf Marken anzuwenden, wurde insbesondere von Margaret Mark und Carol S. Pearson popularisiert - in ihrem Buch "The Hero and the Outlaw: Building Extraordinary Brands Through the Power of Archetypes" aus dem Jahr 2001. In ihm entwickeln sie ein System mit 12 Marken-Archetypen und verbinden diese mit menschlichen Grundmotiven. Dieses System hat sich für die Bestimmung von Markenpersönlichkeiten etabliert.
Die 12 Markenarchetypen nach Mark und Pearson sind:
Diese 12 Archetypen wiederum lassen sich nach den folgenden vier Hauptmotivgruppen menschlichen Handelns clustern:
Im Folgenden sehen wir uns die 12 Archetypen genauer an:
Der Archetyp des Unschuldigen hat einen kindlich anmutenden Optimismus. Er ist idealistisch und glaubt daran, dass eine perfekte Welt möglich ist - eine einfache Welt voller Schönheit und Geborgenheit. Seine Lebenseinstellung ist durchweg positiv. Unschuldige sind wohlwollend, freundlich und ein wenig nostalgisch.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Naivität
Bekannte Unschuldige:
Den Weisen treibt der Wunsch nach Wahrheit, Wissen und Verständnis an. Er möchte die Welt nicht nur verstehen, sondern dieses Verständnis auch mit anderen teilen. Deswegen übernimmt er die Rolle des Lehrers oder Mentors. Weise sind neugierig, analytisch und vertrauenswürdig.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Kann abgehoben sein, ohne praktischen Sinn.
Bekannte Weise:
Den Entdecker-Archetyp treibt es an, rauszugehen, die Welt zu erleben und sich dadurch selbst zu erkennen. Er ist immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen, genießt die Herausforderung und erfreut sich am Unbekannten. Entdecker sind aufgeschlossen, unabhängig und mutig.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Rastlosigkeit
Bekannte Entdecker:
Der Rebell will den Status quo herausfordern und mit Konventionen brechen. Er will etwas bewirken. Dafür ist er bereit, Risiken einzugehen und hat so die Fähigkeit, Veränderung voranzutreiben. Rebellen stehen für Nonkonformismus, Disruption und Kompromisslosigkeit.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Kann aggressiv werden.
Bekannte Rebellen:
Der Archetyp des Zauberers steht wie der Rebell für Veränderung. Sein Mittel ist aber nicht die Zerstörung, sondern die Magie. Er schafft Dinge, die wir nicht für möglich gehalten haben und lässt Träume wahr werden. So steht er für visionäre Kraft, tiefes Weltverständnis und Erfindungsreichtum.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Sprunghaftigkeit (die Kehrseite von Ideenreichtum)
Bekannte Zauberer:
Der Held inspiriert mit seiner Tapferkeit und seinem Mut. Sein Hauptziel ist es, ein Vorbild für andere zu sein. Dieser Archetyp möchte zeigen, dass man erfolgreich sein kann, wenn man ein Risiko eingeht und die Hindernisse, die auf dem Weg liegen, überwindet. Helden sind mutig, diszipliniert und unbeirrbar.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Überheblichkeit
Bekannte Helden:
Der Liebende sucht die tiefe emotionale Verbindung. Er möchte sich geliebt und anerkannt fühlen. Liebende sind leidenschaftlich und romantisch, aber auch einfühlsam und fürsorglich. Sie streben nach Harmonie und genießen es, die Freuden des Lebens mit ihren Lieben zu feiern.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Neigt zur Selbstaufgabe.
Bekannte Liebende:
Dem Narren geht es darum, Spaß zu haben und den Augenblick zu genießen. Dabei geht es ihm nicht nur um sich. Er möchte auch anderen eine Freude machen, sie unterhalten und zum Lachen bringen. Narren sind optimistisch, spontan und offen. Ihr Humor kann freundlich subversiv sein und hat die Kraft, Tabus zu brechen.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Kann nichts so recht ernst nehmen, was ihn oberflächlich oder sogar zynisch wirken lässt.
Bekannte Narren:
Der Jedermann steht für den Durchschnittsmenschen - für jemanden, der nach einem ganz normalen, einfachen Leben und nach Ausgeglichenheit strebt. Jedermänner sind bodenständig und bescheiden. Sie möchten dazugehören, aber nicht herausstechen. Sind sie dein Freund, ist auf sie immer Verlass.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Will jedem und jeder gefallen.
Bekannte Jedermänner:
Der Betreuer-Archetyp ist altruistisch. Er hat den Wunsch, andere, die Hilfe brauchen, zu schützen und zu fördern und möchte damit die Welt zu einem besseren Ort machen. Betreuer sind mitfühlend und neigen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Selbstverleugnung
Bekannte Fürsorgende:
Der Herrscher ist eine natürliche Führungspersönlichkeit. Er strebt nach Macht und Kontrolle, möchte Verantwortung haben und für Ordnung sorgen. Herrschende sind überaus ehrgeizig und durchsetzungsstark. Sie können andere inspirieren und motivieren. Diese müssen aber bereit sein, ihnen zu folgen.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Kann andere unterdrücken.
Bekannte Herrscher:
Der Schöpfer liebt es, neue Dinge zu schaffen. Er kann über den Tellerrand hinaussehen, ist äußerst kreativ und geht ins Risiko, um seine kreative Vision zu verwirklichen. Schöpfende sind unzufrieden mit dem Status quo und haben den Wunsch, etwas Sinnvolles und Dauerhaftes in die Welt zu tragen.
Danach strebt er:
Davor sorgt er sich:
Seine größte Schwäche:
Perfektionismus
Bekannte Schöpfende:
Archetypen helfen euch dabei, die Persönlichkeit eurer Marke zu entwickeln und zum Leben zu erwecken. Was ist aber, wenn ein einzelner Archetyp dafür nicht ausreicht, einfach, weil ihr vielschichtiger seid und die Attribute eines einzigen Archetypen eurem Charakter nicht gerecht werden? Na, das ist dann so und das ist dann auch gut so.
Die interessantesten und einnehmendsten Unternehmen und Marken sind oft die, die uns überraschen können, weil sie facettenreich sind und Brüche aufweisen, mit denen wir nicht unbedingt gerechnet haben. Das macht sie reicher, differenzierter und spannender. Apple war zu Beginn ein disruptiver Rebell, aber mit den Mitteln eines Schöpfers. Das E-Mail-Marketing-Tool Mailchimp ist der Jedermann des E-Mail-Marketings, sein Charakter ist aber gleichzeitig geprägt von einem sanften, verspielten Humor, trägt also auch Züge des Narren.
Das gilt für eure Marke generell: Ist sie lebendig - und das sollte sie unbedingt sein, wenn ihr enge Beziehungen zu euren Kund:innen aufbauen wollt - dann verändert sie sich im Laufe der Zeit, genau wie wir es auch tun.
Weil wir es gerade von Apple hatten: Die Zeiten des disruptiven Rebellentums sind für ein Unternehmen, das eines der wertvollsten der Welt ist, dann doch auch mal vorbei. Dieser Charakterzug steckt noch drin in Apple, ist aber heute weniger präsent und relevant. Überprüft eure Markenattribute daher regelmäßig, ob sie noch zu euch und euren Plänen passen oder eine Aktualisierung und Adaption benötigen.
Ihr entwickelt eure Markenpersönlichkeit mithilfe von Archetypen ja eher nicht für den perfekten Selbstausdruck, sondern um eine Beziehung mit eurer Zielgruppe aufzubauen, die tiefer geht und zu loyalen Kund:innen führt. Deswegen sollte euer Charakter und eure Persönlichkeit schon unbedingt zu euch passen und authentisch sein. Genauso unbedingt sollte er aber auch zu den Bedürfnissen eurer Zielgruppe passen und die richtigen Emotionen auslösen. Nur so hat er für die Menschen, die ihr erreichen wollt, Relevanz.
Mit Blick auf eure Zielgruppe habt ihr verschiedene Möglichkeiten, um diesen Bedürfnis-Match herzustellen:
Die Arbeit mit Archetypen bietet euch die Chance, ausgetretene Pfade (bis hin zum Klischee) aufzudecken und diese dann bewusst nicht zu beschreiten. Was meine ich damit? Die 12 Archetypen sind sehr hilfreich dabei, zu beschreiben, wie Unternehmen in eurer Branche klassischerweise auftreten.
Versicherer sind natürlich fürsorgliche Betreuer, Outdoor-Geschäfte sind natürlich abenteuerlustige Explorer. Oder? Warum eigentlich? Muss das so sein? Genau hier liegt im Hinterfragen und Anders-Machen viel Potenzial, wie ihr euch wirkungsvoll von eurem Wettbewerb differenzieren könnt.
Beim Einsatz von Archetypen im Branding und Marketing scheiden sich bei Markenexperten die Geister. Für die einen ist es das wissenschaftlich fundierte Fundament für die Entwicklung der Markenpersönlichkeit, die anderen halten sie für das Horoskop des Marketings.
Für uns bei klare Marke sind die 12 Archetypen ein wertvolles Tool für die Marketingstrategie, das uns hilft, eine runde Markenpersönlichkeit zu entwickeln. Dazu müssen wir es gar nicht überhöhen. Klar, das Konzept der Archetypen geht auf Carl Gustav Jung und seine Erforschung des Unbewussten zurück und es hat eine lange Geschichte und Verankerung in der Psychologie, aber auch zum Beispiel in der Mythenforschung und Storytelling-Theorie, etwa zur Heldenreise.
Vor allem aber sind die Archetypen herrlich anschauliche Gesprächsstarter in der Markenarbeit, weil sie in unseren Köpfen sofort Bilder und eine Fülle an Assoziationen entstehen lassen, zu lebhaften und angeregten Diskussionen führen und uns dabei helfen, uns eine Marke als eine echte Person vorzustellen. So vereinfachen Archetypen die Entwicklung einer ausgereiften Markenpersönlichkeit, die es schafft, Menschen emotional zu erreichen.
Sucht ihrUnterstützung bei der Entwicklung eurer Markenpersönlichkeit und eurer Markenstrategie? Dann lass uns sprechen.